Montag, 22. Februar 2016

Heidelberg - Mannheim - Ludwigshafen

Heidelberg zeigte sich heute Morgen nicht gerade von seiner charmantesten Seite. Grau in Grau lag die Stadt, sodass ich kaum Lust verspürte mir sie nur irgend genauer anzusehen. Es tut mir Leid, liebes Heidelberg, habe ich doch bislang so schöne Dinge von dir gehört! Ich werde dir zu gegebener Stunde eine zweite Chance geben, hoffentlich im Sommer, bei Sonne, Windstärken unter 37km/h und heißen Temperaturen.

Ein kurzer Besuch im Supermarkt, dann kehrte ich Heidelberg entschlossen den Rücken zu und verließ es, ohne mich noch einmal umzudrehen. Irgendwie freute ich mich aus der Stadt herauszukommen und das laute und hektische Leben hier hinter mir zu lassen. Ein typisches Empfinden wenn man zu Fuß auf Reisen ist. Erst freut man sich wahnsinnig auf die Stadt, auf Geschäfte, Menschen, Zivilisation. Sobald man sich inmitten dessen befindet, sehnt man sich nach der Sekunde, in der man sie wieder verlässt.

Aus irgendeinem Grund bin ich heute sehr unfit. Das Laufen fällt mich unglaublich schwer, obwohl ich heute Morgen noch schnell meine Blasen verarztet und das letzte Rheinwasser aus ihnen herausgedrückt habe. Widerwertig, ich weiß. Aber wer mitliest, leidet mit. Der ständige Wind, der mich von meinem Weg verstößt, macht mir den Marsch madig. Ich bin es heute richtig leid den dritten Tag in Folge gegen dieses Vollgebläse anzulaufen und schlichtweg erschöpft und ausgelaugt. Darum komme ich auch nur im Schneckentempo voran. Viel zu sehen gab es auf der Strecke auch nicht, was mich hätte aufmuntern können. Das ist wohl der Augenblick, in dem ich den ultimativen Kampf mit meinen Schweinehund austragen muss. Man muss sich eben seine ganz eigenen phsychologischen Gehhilfen bauen. Zum Beispiel ein Stück Schokolade im nächsten Ort.
Schwetzigen erhellte meine Miene vorübergehend mit dem Anblick seines Schlosses und einem Hauch von blauem Himmel. 


Je näher ich an Mannheim herankam, desto komischer schauten die Leute mich an. Da standen sie, mit offenen Mündern und eingefrorenem Gesicht, die Nase gerümpft und versuchten zu verstehen, was sie gerade an ihnen vorbeilaufen sahen. Normalerweise lassen mich die doofen Blicke kalt, doch heute nervten sie mich. Sie drehen sich sogar um und schauen mir nach, dabei ist ihr Gesicht wie gebotoxt und ein Zusammenstoß mit anderen Fußgängern vorprogrammiert. Manchmal blinzelten sie sogar, aber nur selten und ganz schnell, um keinen der Schritte dieses Geschöpfes mit dem großen roten Rucksack zu verpassen. Man konnte sehen, wie die Rädchen in ihren Köpfen sich drehten, allerdings rückwärts und gegeneinander, bis die ganze Konstruktion im Kopf explodierte, sie sich rüttelten und schüttelten und schließlich verwirrt und geistesgegenwärtig ihren Weg weitergingen. Lieber sind mir doch die Leute, dich mich ansprechen und nachfragen, was ich tue. Auch wenn es nicht jeder Einzelne verstehen kann, warum ich mir den Marsch aufzwinge, sie sind beeindruckt und wünschen mir alles Gute für die Weiterreise. Weitaus angenehmer als diese Schaulustigen Hirntoten, die mich mit ihren Blicken löchern.

In Seckenhausen machte ich Rast und fand Unterschlupf in einer Bäckerei. Die Sitzecke lud zum Lümmeln ein. Also bestellte ich mir ein leckeres, gesundes, belegtes Brot und pflanzte mich in eines der Polster. Ruhig. Entspannt. Gutes Essen. Die Tür geht auf. 3 Jugendliche kommen herein. Sie kaufen nichts. Sie setzen sich press neben mich. "Ey, isch hab heut den Marco aus der 6. verprügelt. Wusste nit, dass der erst 12 ist! Ey, wenn der misch anzeischt, dann hau isch Familie...!!!1!"
Jaaaa, genau. RTL live vor meinen Augen. Halloooo Mannheim! Als aus den 3 Schülern 6 wurden, wusste ich, dass ich hier nichts verloren hatte. Ich brach meine Pause ab und machte mich wieder auf die Socken.

In Mannheim traute sich die Sonne heraus und zauberte mir das erste Lächeln am heutigen Tage ins Gesicht. Auch die Stadt wird immer ansehnlicher. Gerade hatte ich mich mit der Stadt versöhnt, wurde ich auf die Konrad-Adenauer-Brücke geleitet, um Baden-Württemberg ein für alle Mal zu verlassen. Beim Überqueren sammelte ich all die warmen Sonnenstrahlen ein und freute mich über das flutende Licht des brennenden Himmelskörpers, der mein Gemüt positiv stimmte.

Schwubsdiwubs stand ich mit beiden Füßen in Ludwigshafen, ein paar Minuten später auch schon vor der Tür von Mirjam und Boris. Mirjam war noch nicht zu Hause doch Boris ließ mich herein und zeigte mir die Wohnung unter dem Dach mit dem tollen Gemeinschaftsraum und seinen hohen Decken und Balken, die mich sehr beeindruckte. Abends wurde es voll, als Mirjam und später noch eine Freundin der beiden eintrudelten. Boris übernahm den kochenden Part, während die weibliche Fraktion am Tisch erzählte und servierte uns am Abend eine verdammt leckere Linsensuppe mit Kokos, Curry und irgendwelchen Gewürz, die es mächtig in sich hatten. Super lecker und genau das Richtige für einen ausgehungerten Backpacker. Dabei unterhielten wir uns wild durch alle Themen der Welt, woraus ich sehr viel neue Sichtweisen und Ideen kennenlerne und mitnehmen konnte, tranken eine ganze Kanne Tee und verlagerten die Runde anschließend in den Nebenraum, wo wir mit Beamer und Schokolade alle zusammen einen Film anschauten. Kurz vor Mitternacht legte jeder sowohl körperlich als auch intellektuell gesättigt in seine eigene Koje und schlummerte davon.
Mit und ohne special effects

Kilometerstand: 677km

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